Gib hier den Code ein, den du erhalten hast:
Julia Windischbauer
-
Interview & Kuratierung
Julia Windischbauer, geboren 1996 in Linz, studierte Schauspiel an der Otto-Falckenberg-Schule. Nach Engagements an den Münchner Kammerspielen und dem Deutschen Theater Berlin ist sie Ensemblemitglied des Burgtheaters Wien. Für PARA:DIES erhielt sie den Max- Ophüls-Preis und den Diagonale Schauspielpreis, für SONNENPLÄTZE den Götz- George-Nachwuchspreis. Sie lebt in Berlin und Wien und arbeitet als Schauspielerin, Editorin, Produzentin, Regisseurin und Drehbuchautorin. CALLAS, DARLING ist ihr Regiedebüt.
> HIER geht es direkt zu Julias persönlichen Filmempfehlungen aus dem KINO VOD CLUB am Ende des Beitrags.
Wir gratulieren dir herzlich zu deinem Debütfilm CALLAS, DARLING, den der KINO VOD CLUB im Rahmen der Diagonale als Hybrid-Premiere präsentieren darf. Was hat dich zu diesem Film inspiriert und wie ist es von vor der Kamera hinter diese zu wechseln?
Vielen Dank euch (!) für diese Plattform (in jeglichem Sinne). Die Idee, CALLAS, DARLING zu realisieren, war eine pragmatische. Als Schauspielerin darf ich vorrangig Geschichten weitererzählen. Seit längerem bewege ich mich aber auch schon im Bereich des Davors und Danachs, unter Anderem in der jahrelangen Zusammenarbeit mit Elena Wolff (PARA:DIES, 2022; schweben., 2021). Als Editorin und Produzentin also schon ein wenig erfahrener, waren die Wege des Drehbuch-Schreibens und der Regie noch relativ neu für mich. Und da das Thema Abschied, das bei CALLAS, DARLING eine zentrale Rolle spielt, bei mir persönlich, aber bestimmt auch in jedermensch:s Leben immer wieder gehörig viel Platz einnimmt, war es an der Zeit, dafür eine erste Form zu finden. Als ich dann 2021 Almut Zilcher während meines Engagements am Deutschen Theater Berlin kennenlernen durfte, war klar: Hier wird angesetzt.
CALLAS, DARLING handelt von den zwei verlorenen Seelen Marie, 26, und Gerlinde, 71, die in Österreich zufällig aufeinandertreffen, daraufhin ihrer beider Pläne ändern und sich gemeinsam auf einen Roadtrip nach Albanien aufmachen. Die geteilten Momente und Figuren stehen im Vordergrund, nicht die Handlung. Was war dir wichtig, mit dem Film zu vermitteln?
Nun gut, ich freue mich am allermeisten auf die eigenen Anknüpfungspunkte und Hintergründe, die jede:r Zusehende mitbringt, also möchte ich bewusst Felder leer lassen, Zeit geben, zu fühlen, abzuschweifen und wieder eingefangen zu werden. Eine einhergehende Frage, ob Zufall oder nicht, lasse ich hier mal galant aus, geht es doch vielmehr um den Moment des Innehaltens, der Marie in diesen assoziativen Sequenzen des Beginns ereilt. Schlussendlich geht es mir um eine weitreichende Begegnung, das Loslassen in einem Rahmen, der so schnell vorbeigeht, dass er kaum festzuhalten ist. Und das ist ja ein Widerspruch in sich, den ich genauso verstanden haben möchte, wie er gemeint ist. Und nicht zuletzt erzählt CALLAS, DARLING eine Geschichte der Sehnsucht, der Liebe und des Bleibens – vielleicht: am Leben.
Wie hast Du die Dreharbeiten und den eigenen Roadtrip erlebt?
To be honest: What a ride! Genauso wie Gerlinde und Marie sich auf den Weg machen, unklar wohin, fand sich auch unser 14-köpfiges Team relativ schnell auf Autobahnraststätten entlang der Adria und des Ionischen Meers wieder. Ein Abenteuer, wo nicht alle Augen trocken blieben, wir zusammengewachsen sind und gelernt haben und das, so ehrlich muss ich sein, auf jeden Fall viel mit Selbstausbeutung zu tun hatte. Das ging bei diesem Projekt nur so, und trotzdem möchte ich mutig der Zukunft meine Stirn bieten und freue mich auf viele ausreichend geförderte Projekte, auf präzise Handschriften und mutiges, junges Kino.
Welchen Rat würdest du jungen aufstrebenden Filmemacher:innen geben, die gerade erst anfangen?
Traut euch. Schreckt zurück, lasst euch den Wind aus den Segeln nehmen, gebt auf. Aber sucht. Sucht nach dem, was euch nicht loslässt, was euch was angeht und nutzt die Materialien unserer Zeit. Googelt. Geht ins Kino. Lest bell hooks, Annie Ernaux, Rilke, Raymond Carver. Kommt ins Gespräch. Schreibt. Und: Verbündet euch.
Du bist in der Amateurtheatergruppe Linz-Dornach die Fußstapfen deines Großvaters getreten. Spielt die Schauspielerei in deiner Familie eine große Rolle und wann hast Du gewusst, dass du Schauspielerin werden wolltest?
Ja, der Theatergruppe Linz-Dornach habe ich viel zu verdanken. Unter der Leitung von Sieglinde Fürstelberger entstanden dort Stücke von Menschen, die sich der Schauspielerei nicht vollberuflich widmen konnten, aber dennoch dafür brannten. Insofern war das Spielen doch ein großer Teil meiner Familie, wobei aber niemand seinen Lebensunterhalt damit verdiente. Dass ich das jetzt so von mir sagen kann, macht mich stolz und gleichzeitig demütig, war es ja schon von jeher der Satz „den Dreck unter den Fingernägeln suchen“, der mich antrieb und mich bei der Stange hält.
Vivian Bausch war bei PARA:DIES mit Ella Knorz hinter der Kamera (die wiederum bei CALLAS, DARLING deine Regieassistentin war). Du standst für EIN TEIL VON MIR für Vivian vor der Kamera. Bei CALLAS, DARLING habt ihr den Schnitt gemeinsam gemacht. Was zeichnet eure Zusammenarbeit aus und gibt es gemeinsame zukünftige Projekte?
Hach, Verbündete! Was für eine Begrifflichkeit für eine Branche, die meist auf Vereinzelung und Künstlerkult setzt! Ich glaube inständig daran, dass nur so sich die dichtgestrickten Geschichten erzählen lassen, die uns alle so berühren, die wir sehen wollen, die uns nachhaltig nähren. Insofern ist es der Austausch, das Aneinander-Glauben und die ehrliche Reflexion, die die Zusammenarbeit so kostbar macht. Und da sind auf jeden Fall ein paar Sachen in Planung, mehr möchte ich dazu aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten.
Neben der filmischen Arbeit hast Du ein festes Standbein auf den großen deutschsprachigen Theaterbühnen. Parallel zur Diagonale ist die Premiere von Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ im Burgtheater. Welche Unterschiede gibt es für dich in der Annäherung an eine Theater- und eine Filmrolle?
Da gibt es die ersichtlichen Unterschiede des Handwerks, der zeitlichen Einschränkungen und die der Auswertung. Für mich steht, egal ob im Film oder Theater, immer die Geschichte im Vordergrund. Die gilt es zu beflügeln, zu verteidigen, zu bewahren, zu hinterfragen. Alles Weitere ergibt sich unterwegs.
Gibt es bestimmte Filmemacher:innen oder Filme, die einen starken Einfluss auf deine Arbeit haben?
Elena Wolff, Margarethe von Trotta, Vivian Bausch, Wong Kar-Wai, Nora Fingscheidt, Ella Knorz, Xavier Dolan, Charlotte Wells, Aaron Arens, Luca Gaudagnino, Eva Trobisch, Lukas Dhont, Anna Roller, Marie Kreutzer, Alice Rohrwacher, Adrian Goiginger, Maren Ade, Fabian Stumm, Katharina Rabl.
Vielen Dank für das Gespräch trotz Endproben!
Julia Windischbauers persönliche Empfehlungen aus dem KINO VOD CLUB:
![]() 27 STOREYS Bianca Gleissinger lädt mit diesem sehr fein sezierten Porträt auf das Entdecken dieses Ortes ein, der gleichsam berührt und aufwühlt und sich wie seine Bewohner:innen Zeit lässt, zu sein. |
![]() DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN Marie Kreutzers Film zeigt minutengenau den Zerfall im Angesicht des gegenwärtigen Drucks, der auf den (grandios besetzt und gespielten) Figuren lastet. |
![]() PARA:DIES Unser erster Langfilm. Immer noch krass stolz. |
![]() MIT EINEM TIGER SCHLAFEN Birgit, eine Wucht. Das ist bereits bekannt, aber nicht nur schauspielerisch ist in dem Film so viel zu entdecken, ich rate dringend zu einem Re-Watch. |
![]() DRIVE MY CAR Die Nicht-Gleichzeitigkeit der Dinge, bildlich eingefangen in wiederkehrenden Spiegelungen als Ent-deckung der emotionalen Distanz, dazu Dialoge, die mich beharrlich inne halten lassen wollen – ein Sog. |
![]() ICH ICH ICH Zora Rux öffnet mit diesem Film Türen, die sich ständig von selbst wieder schließen und wieder aufspringen, wie die Identität, die wir ja ab und an in uns selbst, im sogenannten „Ich“ suchen. |
![]() STORIES FROM THE SEA Jola Wieczoreks Film konnte ich 2022 am Filmfestival Max-Ophüls-Preis sehen und dann war ich noch 2 weitere Male im Kino. Und es lohnte sich jedes Mal. |
![]() EIN TEIL VON MIR Weil ich soeben über Verbündete sprach: Vivian Bausch ist eine davon. Bei diesem Film arbeiteten wir das zweite Mal zusammen, ihr gelingt hier ein präziser Blick auf einen einschneidenden Moment zwischen Mutter und Tochter. |