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WHO LET THE DOCS OUT? - Das Bewegtbildprogramm zum Ray-Sonderheft
Einige der im ray behandelten Filme – etwa von Judith Benedikt, Olga Kosanović, Christin Veith, Harald Friedl oder Ivette Löcker – stellen wir hier vor und präsentieren sie als Stream. Mehr Hintergrundinfos dazu findet ihr im aktuellen Ray-Magazin!
DEN EIGENEN BLICK NEU ERFINDEN
Kameraarbeit ist nicht nur eine „Schule des Sehens“, sondern auch eine Möglichkeit der Begegnung. Von Judith Benedikt
Kameraarbeit heißt, den Blick zu teilen, nicht zu besitzen. (Judith Benedikt, Ray-Magazin 2025)
Die Kamera ist weit mehr als ein technisches Werkzeug, sie ist eine Haltung zur Welt und die Entscheidung, wie Wirklichkeit sichtbar wird. Judith Benedikt wurde 1977 in Lienz geboren. Sie studierte „Bildtechnik und Kamera“, sowie Filmschnitt an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Abteilung Film und Fernsehen bei Prof. Christian Berger in Wien. Seit 2003 arbeitet sie als Kamerafrau für Dokumentar- und Spielfilme. Wir stellen euch drei Filme vor, in denen ihr künstlerischer Blick eine zentrale Rolle spielt:
… NED, TASSOT, YOSSOT … (99 min) AT 2023, Brigitte Weich
Im Film … NED, TASSOT, YOSSOT … – FRAUEN, FUSSBALL, NORDKOREA kehren die Filmemacherin Brigitte Weich und Kamerafrau Judith Benedikt in das isolierte Land zurück, um vier Fußballerinnen des Nationalteams zu befragen, wie sich ihre Leben weiterentwickelt haben. Inzwischen sind die vier Frauen, die bereits im Dokumentarfilm HANA, DUL, SED … (AT 2011) zu sehen waren, nicht mehr im Profisport aktiv und verfolgen Karrieren hinter der sportlichen Bühne oder abseits davon. Neben den Protagonistinnen kommt auch Nordkoreas einzige weibliche Filmregisseurin zu Wort. Sie hat eine TV-Soap über die Fußballerinnen inszeniert: Ausschnitte aus der Serie, die ein traditionelles Frauenbild und hingebungsvollen Patriotismus promotet, bieten eine andere, heimische wie konforme Perspektive auf das Thema.
WEIYENA – EIN HEIMATFILM (95 min) AT 2020, Weina Zhao, Judith Benedikt
Zwei Familiengeschichten, ein Jahrhundert und zwei Metropolen verschmelzen in einer Person: Weina Zhao. Ihre Eltern nannten die kleine Tochter „Wien“, als sie von Peking nach Österreich auswanderten. Weinas Reise zurück in die Geschichte – von der Kulturrevolution bis ins moderne China – berührt die großen Themen des 21. Jahrhunderts: Migration, Identität und Vergangenheitsbewältigung. |
DIE DRITTE OPTION (78 min) AT 2017, Thomas Fürhapter
Was tun, wenn man erfährt, dass man ein behindertes Kind erwartet? Ausgehend von dieser Frage entwickelt Thomas Fürhapter seinen komplexen filmischen Essay: DIE DRITTE OPTION setzt Einzelschicksale im Zeitalter von Pränataldiagnostik und Biopolitik in einen radikal gegenwärtigen und gesellschaftspolitischen Zusammenhang. |
ZWISCHEN INSZENIERUNG UND ECHTEM RISIKO
Autofiktionales Erzählen im hybriden Dokumentarfilm und das Hinterfragen von Traditionen. Von Olga Kosanović
Klar scheint mir jedenfalls, sobald dieses „Ich“ spricht, stellt es sich nicht bloß ins erzählerische Zentrum, sondern gleichzeitig auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung. Es stellt sich aus, aber nicht bloß zur Schau – es macht sich angreifbar, um etwas zu zeigen, was größer ist als das Ich, es dient als Schablone oder als Kaleidoskop, durch das man, im geglückten Falle, schließlich die Erfahrung Vieler berühren oder erzählen und erfahrbar machen kann, ohne sich dieser bloß zu bedienen. (Olga Kosanović, Ray-Magazin 2025)
Olga Kosanović – Kurzfilmprogramm
Mit unserem Kurzfilmprogrammwerfen wir einen Blick in frühere Arbeiten der Regisseurin: GENOSSE TITO, ICH ERBE, der Abschlussfilm an der HFBK in Hamburg und LAND DER BERGE, indem sie sich mit dem österreichischen Bleiberecht auseinandersetzt. Beide Kurzfilme wurden mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet.
GENOSSE TITO, ICH ERBE (27 min) DE/AT 2020, Olga Kosanović
Ein Berghang, ein Obstgarten, ein Haus. Idyllische Bilder im südlichen Serbien. Drei Generationen unter dem Dach des Hauses, dass für seine Weitergabe vorbereitet wird. Jeder mit seinem eigenen Erbe, das aber alle gemeinsam tragen müssen – Erinnerungen, Fiktionen, das, was da ist, aber keinen Platz findet, was keiner haben möchte und trotzdem niemanden loslässt. Eine Annäherung an die Geschichte, die Teil der eigenen wird. Heimat ist kompliziert, erben vielleicht eine Last und Tito wird zur Symbolfigur für etwas Gewesenes – Eine filmische Auseinandersetzung mit dem, was bleibt. |
LAND DER BERGE (28 min) AT/DE 2023, Olga Kosanović
Unaufdringlich leise kämpft der alleinerziehende Vater Vladimir für sein Bleiberecht in Österreich – und setzt dabei sogar seinen linken Daumen aufs Spiel. Mit bewegender Liebe für ihre Protagonist:innen zeigt Olga Kosanović den kafkaesken Bleiberechtsirrsinn österreichischer Machart. Der aus Serbien stammende alleinerziehende Vater Vladimir möchte arbeiten und gleichzeitig muss er darum kämpfen, im Land bleiben zu dürfen. Die Logik der Dame im Amt ist so zynisch wie paradox: Man darf bleiben, wenn man verdient, man darf aber nur verdienen, wenn man bleiben darf. |
Olga Kosanović wurde 1995 in Österreich geboren und ist eine in Wien lebende Regisseurin, Autorin und Lehrende. Ihre Ausbildung schloss sie an der HFBK Hamburg bei Angela Schanelec ab. Ihre Filme liefen auf zahlreichen Internationalen Festivals und wurden insgesamt mit über 25 Preisen ausgezeichnet. Neben ihrer Arbeit als Filmschaffende arbeitet sie als Lehrkraft an der Graphischen und der Hertha Firnberg Schule in Wien. Ihr Dokumentarfilmdebüt „Noch lange keine Lipizzaner“ kam 2025 in die Kinos.
DAS PUBLIKUM AUF EINE REISE SCHICKEN
Christin Veith über Filmmontage als empathische Zuwendung zu den Protagonist:innen.
Ein guter Film berührt mich, lässt mich mit dem Bedürfnis zurück mit Freund:innen darüber sprechen zu wollen. Das ist beim Dokumentarfilm und beim Spielfilm dasselbe. Da gibt es für mich keine Unterschiede. Genau so einen Film will ich selbst immer machen. (Christin Veith, Ray-Magazin 2025)
RELATIV EIGENSTÄNDIG (66 min) AT 2017, Christin Veith
RELATIV EIGENSTÄNDIG begleitet das Erwachsenwerden einer Generation, die sich zwischen ihren Träumen und einer mitunter viel zu nüchternen Realität bewegt. Drei Jahre lang wurden zwei Kameras unter den Jugendlichen eines Privatgymnasiums und einer neuen Mittelschule weitergegeben. Die Offenherzigkeit der ProtagonistInnen lässt uns schmunzelnd an ihrem selfiestyligen Alltag teilhaben. „Yolo Katze!“ rufen sie uns zu und sie haben recht: „Man lebt nur einmal, Katze!“
DAS IMAGINIERTE SKRIPT: Wie findet sich ein Film in der Wirklichkeit?
Eine exemplarische Reise von Harald Friedl
Harald Friedl wurde 1958 in Steyr geboren und arbeitet seit 1994 als freischaffender Filmemacher, Schriftsteller, Musiker und Lektor. 2003 war er Max Kade Artist-in-Residence an der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio. Als Gastprofessor unterrichtete er von 2012 bis 2024 an der California State University in Long Beach, Kalifornien.
BROT (94 min) AT 2020, Harald Friedl
BROT erzählt von einer umfassenden Recherche inmitten widersprüchlicher Ernährungstrends, wissenschaftlicher Debatten und industrieller Interessen. Der Film folgt dem Versuch, Mythen und Alarmismus von belastbaren Fakten zu trennen und zugleich Menschen zu zeigen, deren Arbeit und Erfahrung das Thema Brot verkörpern. Er steht für dokumentarische Beziehungsarbeit, die Verantwortung, Ethos und filmische Verdichtung vereint. |
24 STUNDEN (100 min) AT 2024, Harald Friedl
24 STUNDEN bietet einen präzisen Blick auf das Leben einer rumänischen 24-Stunden-Betreuerin und ihre Beziehung zu ihrer Klientin. Die klare Struktur ihres Tagesablaufs ermöglichte ein ungewöhnlich unmittelbares filmisches Konzept, das rechtliche Rahmenbedingungen, persönliche Routinen und digitale Nähe miteinander verwebt. Der Film macht eine oft übersehene Arbeitswelt sichtbar und zeigt, wie eng Realität und erzählerische Form verschränkt sein können. |
Ivette Löcker über WENN ES BLENDET, ÖFFNE DIE AUGEN
Am Anfang eines neuen Filmprojekts stehen für mich Fragen, die mich nicht mehr loslassen, die mich emotional aufwühlen und mich im besten Sinne durcheinanderbringen. Das war so, als meine langjährige Freundin aus St. Petersburg mir 2010 am Telefon erzählte, dass sie ihren drogenabhängigen Sohn dieses Mal nicht mehr im Gefängnis besuchen wird. „Wie kann sie das als Mutter übers Herz bringen?“ hatte ich mich bestürzt gefragt. Braucht ihr Sohn nicht gerade in dieser Situation Unterstützung? Oder kann sie nur weiterleben, weil sie sich von ihm abgrenzt? Und: Wie stehe ich selbst diesen Fragen gegenüber?
Dieses Telefonat war für mich der Anstoß zu Recherchen zum Thema Drogenabhängigkeit in Russland. Ich wollte mehr erfahren über jene Generation junger Menschen, die in den 1990er Jahren erwachsen geworden ist, über die Nachwirkungen dieses historisch-politischen Umbruchs auf das private Leben und über den Umgang der postsowjetischen Gesellschaft mit Menschen in prekären Verhältnissen. Mir wurde klar, dass die persönliche Geschichte meiner Freundin und ihres Sohnes auf etwas Größeres hinausweist und von sozialen Phänomenen erzählen kann. Die Begegnung mit den Menschen, die zu meinen Protagonist:innen geworden sind, hat mich das Thema enger fassen und konkretisieren lassen.
Dank ihnen erzählt WENN ES BLENDET, ÖFFNE DIE AUGEN von Solidarität, Liebe und Co-Abhängigkeit – von universellen Themen, die auch uns in unseren westlichen Gesellschaften betreffen. Es war mir wichtig, mit dem Film gängige Klischeevorstellungen über Drogenkonsument:innen zu unterlaufen, indem ich sie mit all ihren widersprüchlichen und vielfältigen Eigenschaften zeige. Denn ich finde ein Thema dann spannend, wenn sich Ambivalenzen auftun und es keine eindeutigen Antworten gibt – wenn die Auseinandersetzung mit einem Filmstoff und mit den Protagonist:innen das Potenzial hat, zu einem Blickwechsel einzuladen. (Ivette Löcker, Ray-Magazin 2025)


GENOSSE TITO, ICH ERBE
LAND DER BERGE
