Gib hier den Code ein, den du erhalten hast:
Bernhard Wenger - Interview
Bernhard Wenger (1992 in Salzburg) ist ein österreichischer Regisseur und Drehbuchautor. Sein Langspielfilmdebüt PFAU – BIN ICH ECHT? lief 2023 bei der Viennale. Albrecht Schuch wurde in seiner Rolle als bester männlicher Hauptdarsteller beim Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet.
Wir gratulieren dir zu deinem neuen Film PFAU – BIN ICH ECHT? Wie fühlt es sich für dich an, dass er jetzt in die Kinos kommt?
Es ist natürlich wahnsinnig schön, wenn man seinen ersten Kinofilm auf Festivals präsentiert und man dann einen Kinostart hat. Das ist alles sehr aufregend und ich freue mich darauf und bin schon gespannt, wie er beim Publikum ankommt. Der Festival-Run war bis jetzt sehr schön und nun hoffe ich, dass er im Kino auch gut läuft.
Du hast auch das Drehbuch zu PFAU geschrieben. Woher kam die Inspiration dafür?
Diese Rent-A-Friend-Agenturen existieren wirklich, in Japan gibt es sie seit über zwei Jahrzehnten. Man kann Freund:innen mieten, Verwandte mieten, man kann alles mieten, was man im Leben nicht hat. Die Agenturen sind dort aus der großen Isolation und Einsamkeit heraus entstanden, die in der Gesellschaft vorherrschen: Menschen, die einfach niemanden in ihrem Leben haben, können jemanden mieten, zum Reden, um gemeinsam auf einen Kaffee zu gehen, um spazieren zu gehen, was auch immer… Aber wie es mit Dingen oft so ist, die ursprünglich eine gute Intention hatten, werden diese Agenturen auch für andere Dinge verwendet, nämlich zur besseren Selbstpräsentation: Menschen mieten jemanden, um sich besser darzustellen, um Macht zu demonstrieren, um Lügen zu vertuschen. Und das sind leider die Gründe, warum diese Agenturen in unserer Gesellschaft genauso funktionieren würden, wir sind gar nicht so weit weg davon. Es gibt international schon eine Agentur, über die man Menschen auch in Wien, also generell in Österreich und Deutschland, mieten kann. Dort wird es allerdings noch eher verwendet, wenn man die Stadt nicht kennt und von einer einheimischen Person herumgeführt werden möchte. Aber ich glaube, dass diese anderen Dinge, die in Japan bereits existieren, auch bei uns kommen werden. Wenn man auf Social Media schaut, geht es ja wahnsinnig viel um Selbstpräsentation in unserer Gesellschaft.
Hast du für deinen Film so eine Agentur ausprobiert?
Ich habe Mitarbeiter:innen von solchen Agenturen in Japan getroffen und wahnsinnig viele Interviews geführt. Ich selbst habe aber niemanden gemietet, weil das, was für den Film interessant gewesen wäre, nämlich jemanden zu mieten, um sich vor anderen Leuten anders zu präsentieren, für mich keinen Sinn gemacht hätte, da ich ja niemanden in Japan kenne und dort keinen Freundeskreis habe, vor dem ich mich hätte besser präsentieren können.
Der Pfau taucht im Film immer wieder auf und ist eine Metapher. Kannst du uns genauer erklären, warum du dich für den Pfau entschieden hast? Es gibt ja auch andere Tiere, die farbenprächtig wären.
Der Pfau ist ein Vogel, der sich ständig gut präsentiert. Generell ist es so, dass männliche Vögel Paarungstänze aufführen und sich im Farbenkleid präsentieren. Viele singen gut. Der Pfau kann nicht gut singen, er hat einen furchtbaren Schrei. Er kann eigentlich nur seine Federpracht zeigen, aber hat sonst nicht sonderlich viele Qualitäten. Er fliegt nicht gern und nicht gut. Und das war irgendwie eine spannende Metapher für die Hauptfigur.
Anschlussfrage, wie ist es mit Tieren am Set zu arbeiten, vor allem mit solchen?
Nicht leicht. Also wir wollten natürlich, dass der Pfau ein Rad schlägt, das wollte er aber partout nicht machen. Jetzt haben wir kein Rad vom Pfau, das ist aber auch okay. Ansonsten mit den anderen Tieren, wir haben zwei Hunde, wir haben Laufenten… Es ist schon kompliziert und braucht viel Zeit am Set.
Was hat beim Dreh besonders Spaß gemacht und was war eine Herausforderung?
Der ganze Dreh an sich hat besonders Spaß gemacht. Ich habe seit 2018 an dem Buch geschrieben, 2023 haben wir gedreht. Ich habe mich vor vielen Jahren schon darauf gefreut, endlich diesen Film drehen zu können. Herausfordernd war sicher, dass wir sehr, sehr viele Darsteller:innen hatten. Sie alle zu casten und zu besetzen war natürlich viel Aufwand, aber gleichzeitig war es schön, mit so vielen tollen Menschen arbeiten zu können. Aber nicht nur vor der Kamera, sondern auch hinter der Kamera: Ich habe mit vielen Menschen zusammengearbeitet, mit denen ich bereits bei meinen Kurzfilmen zusammengearbeitet hatte. Und natürlich ist es sehr schön, wenn man gemeinsam diesen Weg von den Kurzfilmen zum Kinofilm geht.
Wie eine kleine Drehfamilie sozusagen?
Genau, man ist schon eingespielt, wenn man bereits viele Jahre zusammengearbeitet hat und kennt die anderen Personen besonders gut. Wenn man Kurzfilme gemeinsam gemacht hat, weiß man schon viel besser, wie man zusammen arbeiten kann.
Zum Schauspieler Albrecht Schuch, der wirkt ja wie gemacht für diese Rolle. Wie war das Casting mit ihm als Person? War das sofort ein Match oder langwieriger?
Beim Albrecht war es so, dass er zuerst das Drehbuch gelesen hat und danach haben wir uns getroffen und sehr viel über den Stoff gesprochen. Dann haben wir ein klassisches Casting gemacht und da hat es toll funktioniert. Und ich wusste schon, okay, er ist auf jeden Fall der Richtige für die Rolle und dann haben wir gemeinsam noch sehr viel Detailarbeit betrieben, wo wir an kleinen Schrauben gedreht haben. Was bedeutet dieser verlorene Blick in dem Moment? Ist es ein Ratlos-Sein? Ist es ein Nicht-Wissen, wie er sich verhalten soll? Oder ist es ein Nicht-Wissen, was als nächstes passiert? Das waren Details, an denen wir gearbeitet haben. Auch in der ganzen Vorbereitung hat Albrecht immer wieder sehr, sehr detailliert mit mir über das Drehbuch gesprochen, was ich sehr bewundernswert gefunden habe, da er ein großes Know-how hat was Drehbücher betrifft.
In Zeiten von Social Media und der ständigen Selbstoptimierung sind wir alle immer damit beschäftigt – so wie der Pfau – uns von der besten Seite zu zeigen. Welche Botschaft möchtest du mit dem Film senden?
Ich glaube, eines der größten Probleme unserer Gesellschaft ist das ständige Funktionieren-Müssen. Man darf keine Fehler mehr machen, man darf sich nie negativ oder schlecht präsentieren. Man muss eigentlich ständig eine Maske aufhaben. Wir nehmen ja alle Rollen im Alltag ein und es ist jetzt in einer gewissen Art und Weise auch in Ordnung, dass man zu Hause anders ist als im Beruf. Aber es gibt eine gewisse Künstlichkeit in der Gesellschaft, die ich problematisch finde. Besonders eben Social Media, wenn man schaut, wie wir uns ständig von der besten Seite präsentieren und nur die positiven Dinge im Leben zeigen. Es ist nicht alles positiv im Leben und es ist auch völlig in Ordnung, zu scheitern. Aber das wird in der Gesellschaft leider nicht mehr so gesehen heutzutage.
2024 wurdest du im Rahmen der 81. Internationalen Filmfestspiele in Venedig mit dem Premio Bisato d’Oro für PFAU ausgezeichnet und der Preis reiht sich ja in einer doch schon recht beachtlichen Riege an Auszeichnungen ein (Österreichischer Filmpreis, Diagonale). Inwiefern spornt dich das an?
Man muss dazu sagen, der Preis in Venedig war ein Preis, der von einer unabhängigen Kritiker:innen-Jury vergeben wurde und kein offizieller Preis. Natürlich freut es mich trotzdem wahnsinnig. Preise sind generell nicht der Grund, warum man bei Festivals laufen möchte, aber sie sind natürlich trotzdem eine schöne Bestätigung oder ein Ansporn, weiterzumachen. Und besonders bei den Kurzfilmen waren sie oft einfach ein Mittel zur Finanzierung für nächste Projekte. Bei den Kurzfilmen haben wir die Preisgelder dann auch aufgeteilt unter den Teammitgliedern, denn die Leute arbeiten ja unbezahlt bei Kurzfilmen. Und das ist immer sehr schön gewesen, wenn da ein bisschen was zurückgekommen ist, dass man so auch zumindest ein bisschen was an die Menschen zurückgeben kann.
Du bist seit über zehn Jahren in der Filmbranche tätig und hast, wie du schon erwähnt hast, die Filmakademie in Wien besucht. Gibt es Regisseur:innen, die deine Arbeit besonders geprägt haben?
Ich habe mich schon viele Jahre vor Beginn des Studiums an der Filmakademie intensiv mit dem Medium Film beschäftigt und hatte eine besondere Begeisterung für Schauspiel in meiner Jugend. Ich habe damals am Heimweg von der Schule mit Freund:innen kurze Sketches und Videos gedreht – einfach mit dem ersten Handy, das filmen konnte. Und ich habe mich dann immer tiefergehender mit Filmen beschäftigt und bin auf skandinavische Filme gestoßen und habe die Filme von Kaurismäki lieben gelernt. Er war damals der erste Regisseur, der mich wirklich begeistert hat. Bei dem ich mir dachte: „Okay, das ist irgendwie anders als das, was ich jetzt so kannte davor in der Jugend.“ Ich habe dann generell skandinavisches Kino lieben gelernt und genauso englischen schwarzen Humor. Und zusammen mit der österreichischen Grundtragik, die wir alle haben, ist dann diese Handschrift entstanden.
Bernhard Wenger hat uns auch seine Lieblingsfilme aus dem KINO VOD CLUB kuratiert.