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Thomas Woschitz - im Interview
Thomas Woschitz (1968 in Klagenfurt) ist ein österreichischer Regisseur, Drehbuchautor und Editor. Er studierte am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom und führte bei mehreren Kurzfilmen Regie, die alle auf zahlreichen Festivals gezeigt wurden, darunter auf den Filmfestspielen von Cannes (GIRLS AND CARS), Venedig (DUDS) und Locarno (THE JOSEPH TRILOGY). 2009 gewann er den renommierten „Max Ophüls Preis“ für seinen ersten Spielfilm UNIVERSALOVE, der auf dem Toronto Film Festival und den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2009 Premiere hatte. Neu bei uns im Programm nun eine weitere Zusammenarbeit mit der Band NAKED LUNCH aus 2006, SPERRSTUNDE. Sein zweiter Langfilm BAD LUCK, ein schwarzer Thriller (Max Ophüls Festival, Shanghai, Diagonal Award 2009), wurde von den Kritikern als „ein Juwel von einem Film“ gefeiert. Sein neuester Film THE MILLION DOLLAR BET ist bald im Kino zu sehen und der umtriebige Regisseur arbeitet bereits an einem neuen Projekt.
Im Gespräch hat uns Thomas Woschitz Fragen zu seinen Filmen und seiner Beziehung zur Musik beantwortet und einen Ausblick auf Kommendes gegeben:
Mit Gabriele Kranzelbinder (ebenfalls 1968 in Klagenfurt geboren) verbindet dich eine langjährige Zusammenarbeit, dein Kurzfilm TASCHENINHALT UND NASENBLUTEN (1995) war ihr erstes Projekt überhaupt als Produzentin. Möchtest du uns erzählen, wie ihr euch kennengelernt habt und was eure Zusammenarbeit auszeichnet?
Unsere erste Zusammenarbeit war eigentlich der ÖLFILM (1994), eine Videoinstallation. Damals suchte ich jemanden für die Produktionsleitung. Gabriele war gerade fertig mit ihrem Jurastudium und auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Obwohl sie keine Erfahrung hatte in der Produktion, machte sie einen wunderbaren Job und fing sofort Feuer für das Filmbusiness. Seit dem war sie nicht nur als Produzentin an allen meinen Projekten beteiligt, sondern auch als wichtige kreative Mitarbeiterin. Es gab von Anfang an ein großes Vertrauen, die Basis für jede gute Zusammenarbeit, ein ständiger Austausch. Bei THE MILLION DOLLAR BET übernahm sie dann auch die Co-Regie und ich war maßgeblich an der Produktion involviert.
In BAD LUCK hast Du bis auf Valerie Pachner mit vor Ort gecasteten Laienschauspieler:innen gearbeitet. Wie konntest du die Beteiligten vom Projekt überzeugen?
Während des Castingprozesses von BAD LUCK wurde mir relativ schnell klar, dass ich den Film mit nicht-professionellen Schauspieler:innen besetzen möchte, um möglichst viel Authentizität zu erlangen. So begannen wir mit dem Street-Casting. Es ist eine wunderbare Aufgabe, aber benötigt viel Zeit. Vor allem Hannes Starz hat Monate vor Baumärkten und Tankstellen verbracht, um die richtigen Charaktere zu finden. Aber das Finden war nur ein Teil der Arbeit, man musste die Leute auch in einem langen Überredungsprozess zur Mitarbeit überzeugen, was teilweise schwierig war und viel Einfühlvermögen brauchte. Wir waren erfolgreich und hatten bis auf die weibliche Hauptdarstellerin ein perfektes Cast zusammengestellt.
Da zeigte mir Hannes Starz Valerie, die gerade das Reinhardtseminar abgeschlossen hatte und noch ganz unbekannt war. Nach einem kurzen Treffen, ein Schnellcasting, denn sie musste dringend einen Zug erwischen, wussten wir, dass sie perfekt in unser nicht-professionelles Cast passte. Ich kann mir vorstellen, dass sie während der Dreharbeiten etwas unglücklich war, da ich mit ihr gleich gearbeitet habe, wie mit den Anderen, sprich, kein ganzes Drehbuch sondern nur von Tag zu Tag die Seiten der Szenen. Aber es scheint geglückt zu sein, denn oft wurde das Cast sehr gelobt und dessen Homogenität.
In deinen eigenen Worten, um was geht es in BAD LUCK?
Die Idee zu BAD LUCK ist aus kleinen Zeitungsmeldungen entstanden. Skurrile Begebenheiten von verzweifelten Personen, die in ihrem blinden Handeln noch dazu vom Pech verfolgt waren. Tragische Geschichten, die es aber nur in eine kleine Zeitungsmeldung geschafft hatten. Ich wollte mit dem Film diesen Randnotizen Gesichter geben und in tragikkomischer aber einfühlsamer Weise von ihrem Suchen nach etwas Glück erzählen. So geht es in dem Film um falsche Entscheidungen bei der Suche nach dem Glück. Ein sehr universelles Thema am Ende.
Anders bei THE MILLION DOLLAR BET, den ihr in nur vier Wochen am Stadtrand von Las Vegas mit internationalem Cast gedreht habt. Wie waren die Dreherfahrungen in den heruntergekommenen Suburbs der Glitzerstadt, wie haben die Anrainer:innen die Dreharbeiten aufgenommen?
Wir haben bewusst ein unbekanntes Las Vegas gewählt, abseits der Glitterwelt, den alten Stadtteil Beverly Green. Leider zum Missfallen der Stadt Vegas. Die wollten nicht, dass wir dieses Vegas herzeigen und haben uns deswegen oft die Drehgenehmigung verweigert. Was wir aber in guter Indiemanier einfach ignoriert haben. Im Gegensatz dazu waren die Bewohner von Beverly Green alle sehr hilfsbereit. Obwohl wir gewarnt wurden, nicht in den „Bronx” zu drehen, hatten wir bis auf eine sehr skurrile Begebenheit keine Probleme. Für einen Nachtdreh wurde die Beleuchtung vorgebaut. Als wir dann zum Drehort kamen, waren die Lichter verschwunden. Aber kurze Zeit später tauchte ein Obdachloser auf, den wir beim Locationscouting kennengelernt hatten. Als er uns erkannte, entschuldigte er sich für den Diebstahl mit den Worten „Ah, ihr seid das” und brachte uns im Eintausch von vier Zigaretten die Lampen wieder zurück.
Die Idee für THE MILLION DOLLAR BET entstand ursprünglich als Kurzfilm. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit: Ein dreifacher Marathon in 24 Stunden und eine Million Dollar Wetteinsatz unter zwei Gamblern. Eigentlich geht es aber um Freundschaft. Wann gab es die Idee und wie hat sich das Projekt im Laufe der Zeit entwickelt?
THE MILLION DOLLAR BET war immer als Langfilm konzipiert, aber ja, es basiert auf einer wahren Geschichte. Andrea Piva, mein Co-Autor, hatte sie in einem Internetblog von einem Pokerspieler gelesen und mir weitergeleitet. Ich war sofort fasziniert von ihrer Einfachheit, aber auch von dem Potenzial, einen spannenden, aber sehr eigenen Film über Freundschaft und Geld zu erzählen. Das war von Anfang an das Herzstück des Films. Während des Schreibens haben wir anfänglich sehr viele Nebengeschichten eingebaut, die aber dann wieder gestrichen wurden, da wir das Stringente dieser 24-Stunden-Geschichte nicht verlieren wollten. Auch, dass Las Vegas der Schauplatz zu so einem Film sein muss, war uns von Anfang an klar. Es war aber dann eine ziemliche Herausforderung, so ein Projekt in den USA auf die Beine zu stellen, noch dazu mit einem Minibudget. Aber so wie Hank, der Läufer in THE MILLION DOLLAR BET, haben wir uns als bewährtes Team, Gabriele Kranzelbinder als Produzentin und Co-Regisseurin, Enzo Brandner an der Kamera und Steven Swirko als Produktionsleiter und Produzent, die Turnschuhe angezogen, Covid und Drehverbote zum Trotz, und sind losgelaufen.
Nicht nur in den Musikfilmen – zuerst SPERRSTUNDE (2006), dann UNIVERSALOVE (2008), die du gemeinsam mit der Band NAKED LUNCH entwickelt hast – auch in deinen anderen Arbeiten nimmt die Musik eine besondere, dramaturgisch tragende Rolle ein. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit NAKED LUNCH und wie würdest du deine Beziehung zur Musik – im Allgemeinen und im Film – beschreiben?
Ein Film ist für mich wie ein langes Musikstück mit allen seinen Elementen und Rhythmen. Ich schreibe mit Musik. Umgekehrt muss Musik auch Geschichten erzählen. Mir ist diese enge Symbiose deswegen sehr wichtig und ich bringe die Komponisten oft zur Weißglut, denn für mich ist die Zusammenarbeit erst geglückt, wenn Geschichte und Musik eine Einheit bilden, was aber meist sehr mühsam und zeitaufwendig ist. In SPERRSTUNDE und UNIVERSALOVE sind wir noch einen Schritt weitergegangen und haben die Musik live zur Filmprojektion aufgeführt, was die Symbiose noch verstärkt hat. Speziell mit UNIVERSALOVE sind wir dann um die ganze Welt gereist, denn in dieser Art ist das Projekt einzigartig. Die enge Zusammenarbeit mit NAKED LUNCH war auch deswegen sehr fruchtbar, weil ich den Frontmann Oliver Welter schon seit Jugendjahren kenne, und es dadurch eine große Vertrauensbasis und gegenseitige Wertschätzung gab. Aber auch in THE MILLION DOLLAR BET, meinem neuesten Film, spielt die Musik natürlich eine große Rolle und Markus Taxacher hat eine perfekte Musik zu den Bildern gezaubert.
Du arbeitest bereits an einem neuen Projekt, einem Roadmovie im 17. Jahrhundert unter dem Arbeitstitel „Am Anfang der Schwerkraft“. Auch hier wieder ein ganz besonderer musikalischer Beitrag: LAIBACH. Kannst du uns dazu bereits mehr verraten?
LAIBACH verfolge ich schon seit ihren Anfängen in den 80er Jahren, da ich wegen meiner Großmutter oft in Ljubljana war und dort alle Schallplatten von ihnen erstanden habe. Für mich eine sehr inspirierende und provokante Musik. Ideen, um mit ihnen zusammen zu arbeiten, geisterten schon lange in meinem Kopf, aber als ich dann anfing, an dem brocken Roadmovie Am Anfang der Schwerkraft oder die schicksalhafte Reise einer noblen Familie und ihrer Dienerschaft über die Alpen zu schreiben, ein Film über Macht und Klassenkampf, war mir gleich klar, dass LAIBACH die Musik dazu liefern sollte. Ich kontaktierte das Kollektiv und sie waren sofort begeistert, einen modernen provokanten Soundtrack zu einem Barockfilm zu liefern.
Momentan sind wir leider noch in der Finanzierungsphase, denn der Film ist, so wie alle meine bisherigen Filme, schwer zu kategorisieren, da rennt man schon oft gegen Mauern, vor allem wenn man ein hohes Budget braucht, wie im Falle des barocken Roadmovies. Aber wir werden in alter Indiemanier Vieles einfach ignorieren.
Weil das Jahr gerade zu Ende ging, der österreichische Film aus dem letzten Jahr, den man deines Erachtens unbedingt sehen sollte?
Ruth Beckermanns FAVORITEN, der ist nicht nur unterhaltsam, sondern einfach gesellschaftspolitisch sehr wichtig. Vielen Dank! |