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Interview & Kuratierung - Filmemacherin Vivian Bausch

Die Filmemacherin Vivian Bausch hat sich als eine vielversprechende Stimme in der zeitgenössischen Filmszene etabliert. Ihr neuestes Werk „Ineinanderfallen“ feiert beim Crossing Europe Filmfestival 2024 Premiere. Im Rahmen des Crossing Europe Extended, dem Online-Begleitprogramm des Linzer Filmfestivals, hat sie mit uns über ihre Filme gesprochen und Filmempfehlungen aus dem KINO VOD CLUB dagelassen.

 

HIER  geht es direkt zu Vivians Filmempfehlungen aus dem KINO VOD CLUB am Ende des Beitrags.

Was macht das Crossing Europe Film Festival für dich zu etwas Besonderem?

. Die Filmauswahl
. Politische Filme, die man selten sieht
. Europäischer Fokus und lokale Schmankerl
. Die Partys
. Die Gespräche

Bei der diesjährigen Diagonale wurdest du gemeinsam mit Fabian Rausch mit dem Carl-Mayer-Drehbuch-Hauptpreis 2024 für euer Treatment „Soldat“ ausgezeichnet, herzliche Gratulation! Wie wird es weitergehen?

Wir schreiben bis Juni die erste Drehbuchfassung. Ich bin in Gesprächen mit den Produktionsfirmen. Wir hoffen auf die ÖFI-Stoffentwicklungsförderung. Ich will einfach, dass SOLDAT mein Debütspielfilm wird und werde alles dafür geben, dass wir diesen Film realisieren können. Ich freue mich auf die weitere dramaturgische Arbeit und auf die Regievorbereitungen. Es ist aufregend und ich bin sehr dankbar, hierbei auch Barbara Albert als dramaturgische Beratung an der Seite zu haben und seit Oktober in Co-Autorschaft mit Fabian Rausch zu arbeiten.

Dein neuer Kurzfilm „Ineinanderfallen“ feiert in Linz Weltpremiere, was kannst du uns zum Film und seiner Entstehung erzählen?

Der Film entstand innerhalb einer Woche: Also zwei Tage für das Drehbuch, ein Drehtag, ein halber Tag Casting und dann circa fünf Schnitttage. Ich hatte damals ein tolles Pitchingprogramm in Split über Cinema Next für SOLDAT bekommen und musste gleichzeitig innerhalb von vier Tagen den Film für die Aufnahmeprüfung an der Filmakademie Wien für den Master in Regie schneiden. Also tagsüber Programm in Split, nachts geschnitten. Das war nicht sehr gesund, aber was soll man machen. Keine Ahnung, wie ich es trotzdem noch geschafft habe, schwimmen zu gehen. Die Zusammenarbeit mit Leander Hartung (Kamera) war vor allem besonders – wir kennen uns schon länger und haben die ersten Filme gemeinsam gedreht. Deshalb mussten wir eigentlich nicht wirklich mehr reden, sondern wussten auch ohne Worte, was wir wollten. Ich glaube, dass er mir diesen Film geschenkt hat. Ich wollte in kurzer Zeit ein großes Drama erzählen und zeigen, was ich kann oder wo mein Stand in meinem Regiehandwerk ist. Am stolzesten bin ich bei diesem Film aber auf die Produktionsarbeit, weil ich/wir mit Hilfe von Freund:innen wie Selim Obermüller innerhalb von 2 Tagen alles organisiert hab/en. Ohne Geld, ohne Nichts.

Die Aufmerksamkeit für psychische und physische Gewalt an Frauen ist im letzten Jahr besonders gestiegen. Ein Thema, das dich in deiner künstlerischen Arbeit seit Langem beschäftigt, wie gehst du beim Filmemachen an dieses Thema heran? Vor allem in Bezug auf „Ein Teil von mir“?

Ich möchte die richtige Perspektive finden. Ich will nichts verschönern, ich will nichts wiederholen. Ich will, dass man den Schmerz spürt und doch eine Hoffnung hat. Ich will, dass man spürt, was es bedeutet. Ich will Heilung erzählen, aber die kann auch erst passieren, wenn jeder diesen Schmerz verstehen kann, nachvollziehen kann.

In deiner Instagram Bio führst du den Hashtag #PerfectionInTheImperfection. Was bedeutet das für dich?

Ich glaube, dass es einfach das beste Gefühl ist, wenn man immer wieder an den Punkt gelangt im Leben, wo man seine Fehler, seine Nicht-Angepasstheit, seinen eigenen und äußeren Anspruch nicht gerecht wird. Dann fängt es an, spannend zu werden. Dann ist Liebe da, dann ist es interessant, dann ist man am verletzlichsten und am stärksten zugleich. Und dann krieg ich den Drang, zu erzählen.

Gibt es bestimmte Filmemacher:innen oder Filme, die einen starken Einfluss auf deine Arbeit haben/hatten?

Ich kann nur die auflisten, die mich zufällig geprägt haben in der Kindheit. Also ich liebe DIE FARBE BLAU von Krzysztof Kieślowski. Ich liebe einfach, wie dieser Film mir sinnlich so viel gibt und wie gut er gealtert ist. Und alle Filme von Andrea Arnold. Ich kann gar nicht wirklich sagen, ob diese einen starken Einfluss auf meine Arbeit haben. Aber wahrscheinlich dann doch, weil man sich ja unbewusst daran orientiert. Ich liebe diese zwei Filmemacher:innen sehr. Ich mag ihre Perspektive auf Menschen, ich mag ihre Romantik und ihre Bildsprache. Also ganz oben steht sicherlich Andrea Arnold! Und dann gibt es so viele Filme, die ich nicht gesehen habe. So viele Filmemacher:innen, die ich noch gar nicht mitbekommen haben. Ich hab immer das Gefühl, dass ich da eine viel zu große Lücke habe. Ich schau dann lieber Filme mehrmals an.

Filmempfehlungen von Vivian Bausch aus dem KINO VOD CLUB

Wie würdest du deinen Filmgeschmack beschreiben?
Schwierige Frage. Ich mag Filme, die mich emotional bewegen und anregen. Die mich zum weinen und lachen bringen oder die, die mich intellektuell nicht in Ruhe lassen. Die ich nicht leicht vergesse. Von denen ich träume, aber manchmal auch die, von denen ich nicht träume, einfach nur im Moment schön fand. Aber eigentlich puh. Ich mag so viel verschiedene Arten von Filmen. Auch die, die ich nicht gut finde, mag ich. Ich mag keine belanglosen Filme. Vielleicht am liebsten Filme, die eine Dringlichkeit in der Erzählung haben. Die, die von Outcasts erzählen. Die, die eine Liebe haben. Die, die auch schmerzhaft sein können. Die, die von einer unterdrückten Perspektive erzählen. Die, die verletzlich sind. Eigentlich eher weniger die, die perfekt erscheinen. Die Filme, die einen überrumpeln, ohne dass man es merkt. Die, wo man gar nicht denken muss und die einen Momente danach bescheren. Manchmal aber auch die, die einfach anders sind als das, was man kennt. Ich glaube, ich mag’s schon mehr, wenn es um fehlerhafte liebenswürdige Charaktere geht.

Ein Film, den ich mir immer wieder anschaue
DAS UNMÖGLICHE BILD von Sandra Wollner — so ein toller, toller Film.
Und NORDRAND von Barbara Albert — ich liebe diesen Film könnte ihn immer wieder schauen.
Und GROSSE FREIHEIT — der Film hat mich einfach umgehauen und nachdrücklich beeindruckt und ich könnte ihn mir immer wieder anschauen.
Ich kann mich nicht entscheiden!!!!

Das unmögliche Bild

Große Freiheit

Dieser Film macht gute Laune
ALLES IST HIN von Jan Prazak — finde der Film ist nicht nur sozialkritisch sondern macht irgendwie eine gute Stimmung, obwohl alles hin ist. Er ist einfach sehr hoffnungsvoll und hat eine warmherzige Perspektive auf die Protagonist:innen. Und hier auch wieder so viele — ich nenne noch den Klassiker INDIEN.

Filme sorgen nicht immer für gute Laune: Dieser Film ist schwer zu nehmen, aber deswegen sehenswert
Alle Haneke-Filme. Und DAS UNMÖGLICHE BILD 🙂

Persönlicher Tipp: Dieser Film wird unterschätzt
Aufgrund des Skandals etc. würd ich jetzt mal sagen SPARTA von Ulrich Seidl.

Eine sehenswerte Dokumentation
WER HAT ANGST VOR BRAUNAU? — Günter Schwaiger und Julia Mitterlehner: unbedingt schauen — eigentlich Pflichtprogramm für alle!
Und WALDHEIMS WALZER — Ruth Beckermann
Und FEMINISM WTF — Katharina Mückstein
ELFRIEDE JELINEK – DIE SPRACHE VON DER LEINE LASSEN — Claudia Müller
Es gibt zu viele!

Wer hat Angst vor Braunau?

Feminism WTF

Das ist mein liebster Crossing Europe-Film
HOLLYWOOD von Leni Gruber und Alexander Reinberg — weil er irrsinnig Spaß macht, ein gutes Gefühl hinterlässt und einfach super gut geschrieben ist!

Eine Lieblingsszenen aus einem der genannten Filme
Ich liebe die Szene aus DAS UNMÖGLICHE BILD, wo mittels Videokamera auf einmal etwas Geisterhaftes, Gruseliges, Fantastisches passiert. Diese Verwebung find ich einfach toll und es hat mich komplett geschreckt und eine weitere Ebene im Film aufgemacht.

Mein letzter Film im Kino
MONSTER (DIE UNSCHULD, JP 2023) von Hirokazu Koreeda

Mein Pro-Tipp für Festivalbesucher:innen
Local Artists-Programm — Nein, einfach alles, überall hingehen. Alle Filme schauen, Party machen und in einen Rausch kommen!


Filme von Vivian Bausch im Rahmen des Crossing Europe Extended:

Zuhause bei meinen Müttern
(Kurzfilm, 2021, 40min)
Vivian Bausch macht sich auf die Suche nach Familie, der Bedeutung von Mutterschaft, nach ihrer eigenen Identität. Auf fragmentarische Weise durchgeführt, wird immer wieder der Prozess des Filmemachens, des künstlerischen Versuchs, sich all dem zu nähern, selbst zum Thema.
Zum Film
Ein Teil von mir
(Kurzfilm, 2023, 18min)
Als Vanessa auf der Geburtstagsfeier ihrer Mutter erfährt, dass ihr übergriffiger Ex-Stiefvater auch eingeladen war, konfrontiert sie die Mutter mithilfe eines Videotapes vor der versammelten Familie. Im skurrilen Setting der Familienfeier finden die beiden Frauen jedoch wieder zueinander.

Zum Film

Credits: Foto © Selim Obermüller